Hiob 11
1 Da antwortete Zophar, der Naamatiter, und sprach:
2 Soll die Menge der Worte unbeantwortet bleiben und der Schwätzer recht behalten?
3 Soll dein Geschwätz Männern den Mund stopfen, dass du spottest und niemand dich beschämt?
Die ersten beiden Freunde von Hiob haben jeweils gesprochen und Hiob hat auf ihre Worte reagiert.
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- Eliphas drückte seine Enttäuschung über Hiob aus und hat ihn beschuldigt, ein Heuchler zu sein. Er hat argumentiert, Hiobs Leiden sei ein Beweis für seine Sünde. Sein Rat an Hiob war, seine Zurechtweisen anzunehmen und auf die Barmherzigkeit Gottes zu hoffen.
- Bildad hat gesagt, Hiobs Worte seien nichts weiter als ein heftiger Wind. Er hat Theologie und Geschichte benutzt, um die gleiche Anschuldigung zu stützen, die Eliphas gemacht hatte, nämlich, dass Hiob gesündigt hatte und seine Bestrafung daher gerechtfertigt war.
Jetzt hören wir zum ersten Mal von Hiobs drittem Freund Zophar.
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- Er ist der gleichen Meinung wie die beiden, die bereits gesprochen hatten.
- Er hat Hiob einen Schwätzer genannt und hat ihn des Spottes beschuldigt.
- Er hat Hiob auch beschuldigt, sündlose Vollkommenheit zu beanspruchen.
4 Und du hast gesagt: »Meine Lehre ist lauter, und ich bin vor deinen Augen rein!«
Ein Rückblick auf das, was Hiob gesagt hatte, zeigt jedoch, dass dieser Vorwurf keinen Bestand hat.
Warum vergibst du meine Übertretung nicht und erlässt mir nicht meine Schuld? – Hiob 7,21
Anstelle von sündloser Vollkommenheit hat Hiob behauptet, dass nichts, was er getan hatte, die Behandlung rechtfertigte, die er erhalten hatte, im Gegensatz zu der Behandlung, die die Gottlosen erhalten hatten.
Darum sage ich: Es ist einerlei; Untadelige und Gottlose bringt er gleicherweise um! – Hiob 9,22
5 O dass doch Gott reden möchte und seine Lippen auftäte gegen dich!
6 Und dass er dir doch die Geheimnisse der Weisheit verkündete — denn es gibt noch doppelt so viele wie du weißt —, so würdest du erkennen, dass Gott dir noch nachlässt von deiner Schuld!
Zophar hat sich danach gesehnt, dass Gott seinen Mund öffnen und Hiob gerade stellen würde.
In dieser Aussage ist ein altes Sprichwort enthalten, das besagt, dass Weisheit immer zwei Seiten hat. Hiob von seiner niedrigen Position aus konnte nur eine Seite sehen. Die andere Seite der Weisheit, die Hiob nicht sehen konnte, war, dass Gott ihn veranlasst oder erlaubt hatte, viel von seiner Sünde zu vergessen.
7 Kannst du die Tiefe Gottes ergründen oder zur Vollkommenheit des Allmächtigen gelangen?
8 Sie ist himmelhoch — was willst du tun? tiefer als das Totenreich — was kannst du wissen?
9 Ihre Ausdehnung ist größer als die Erde und breiter als das Meer.
10 Wenn Er einherfährt, kann er verhaften und vor Gericht stellen — wer will es ihm wehren?
11 Denn er kennt die nichtswürdigen Leute und sieht auch die Schuld, ohne dass er [darauf] achthaben muss.
Zophar hat geglaubt, Hiob müsse gedemütigt werden, und hat deshalb eine Reihe von Fragen gestellt, um Hiob zu demütigen, indem er ihn Gott gegenübergestellt hat. Er hat majestätischen Beschreibungen Gottes mit einfachen Fragen gefolgt:
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- Was willst du tun?
- Was kannst du wissen?
- Wer will es ihm wehren?
12 Kann ein Hohlkopf Verstand gewinnen, und ein Eselhengst als Mensch geboren werden?
Zophar benutzt auch Sarkasmus, wenn er sagt, Hiobs Chance, weise zu werden, sei die gleiche wie die eines wilden Esels, zahm wie ein Mensch geboren zu werden.
13 Wenn du nun dein Herz fest ausrichtest und zu ihm deine Hände ausstreckst
14 — wenn Unrecht an deinen Händen ist, so entferne es, und lass in deinen Zelten nichts Böses wohnen!
Dies wäre eigentlich ein guter Rat, wenn Hiobs Probleme das Ergebnis der Sünde wären, aber sie waren es nicht.
15 Ja, dann darfst du ohne Scheu dein Angesicht erheben und fest auftreten ohne Furcht;
16 dann wirst du deine Mühsal vergessen, wie man das Wasser vergisst, das vorübergeflossen ist.
17 Heller als der Mittag wird dein Leben dir aufgehen; das Dunkel wird wie der Morgen sein.
18 Dann wirst du getrost sein, weil es Hoffnung gibt, und wirst um dich blicken und in Sicherheit dich niederlegen.
19 Du legst dich zur Ruhe, und niemand schreckt dich auf, und viele werden dann deine Gunst suchen.
Zophars erster Fehler bestand darin, zu glauben, Hiobs Leiden sei das Ergebnis der Sünde.
Sein zweiter Fehler war einer, den auch viele Gläubige heute gemacht haben: Die Reue der Sünde wird automatisch garantieren, dass das Leben von da an heller sein wird als der Mittag.
Die Vergebung der Sünde hebt die Schuld der Sünde auf, aber die Sünde hinterlässt Narben, die oft schwer oder gar nicht zu überwinden sind.
20 Aber die Augen der Gottlosen verschmachten, [ihre] Zuflucht geht ihnen verloren, und ihre Hoffnung ist das Aushauchen der Seele!
Die letzte Aussage ist wahr, wenn sie nur auf die Bösen angewendet wird, aber hier wird sie fälschlicherweise auf Hiob angewendet.
Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in die gleichen Fehler geraten, die Hiobs ‚drei Freunde gemacht haben, als sie versuchten, auf seine Situation zuzugreifen.
Das Gebot Jesu wird uns dabei helfen:
Und richtet nicht, so werdet ihr nicht gerichtet; verurteilt nicht, so werdet ihr nicht verurteilt; sprecht los, so werdet ihr losgesprochen werden! – Lukas 6,35-37