Hiob 19,13-29
Ich erinnere mich an ein lustiges Lied aus meiner Kindheit, in dem es darum ging, von anderen nicht gemocht zu werden.
„Niemand mag mich, alle hassen mich, ich erwäge, ich werde gehen und Würmer essen…“
Der nächste Abschnitt von Hiobs Rede erinnert mich an dieses Lied.
13 Meine Brüder hat er von mir verscheucht, und die mich kennen, sind mir ganz entfremdet.
14 Meine Verwandten bleiben aus, und meine Vertrauten verlassen mich.
15 Meine Hausgenossen und meine Mägde halten mich für einen Fremden; sie sehen mich als einen Unbekannten an.
16 Rufe ich meinen Knecht, so antwortet er mir nicht; ich muss ihn anflehen mit meinem Mund.
17 Mein Atem ist meiner Frau zuwider und mein Gestank den Söhnen meiner Mutter.
18 Sogar Buben verachten mich; stehe ich auf, so reden sie gegen mich.
19 Alle meine Vertrauten verabscheuen mich, und die ich liebte, haben sich gegen mich gewandt.
Dieses Gefühl des Verlassenseins ist in der Schrift nicht einzigartig. Ähnliches äußerte David in Psalm 142.
Ich schaue zur Rechten, siehe, da ist keiner, der mich kennt; jede Zuflucht ist mir abgeschnitten, niemand fragt nach meiner Seele! – Psalm 142,5
Ein anderer Psalm Davids mit einem ähnlichen Ausspruch wurde sogar von Jesus zitiert, als er am Kreuz hing:
Und um die neunte Stunde rief Jesus mit lauter Stimme: Eli, Eli, lama sabachthani, das heißt: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?« – Matthäus 27,46
Der nächste Vers ist etwas schwer zu übersetzen:
20 An meiner Haut und meinem Fleisch klebt mein Gebein, und ich habe kaum noch Haut, um meine Zähne zu behalten.
Die Eberfelder-Übersetzung gibt den Satz wörtlich wieder.
Mein Gebein klebt an meiner Haut und an meinem Fleisch, und [nur] mit der Haut meiner Zähne bin ich entkommen. – Hiob 19,20 (Elbefelder)
21 Erbarmt euch, erbarmt euch doch über mich, ihr, meine Freunde, denn die Hand Gottes hat mich getroffen!
22 Warum verfolgt ihr mich ebenso wie Gott und werdet nicht satt, mich zu zerfleischen?
Hiob bittet seine Freunde um ein wenig Mitgefühl. Während Hiob bezüglich Gottes Rolle in seinen Schwierigkeiten völlig verwirrt ist und sich der Rolle Satans, seines Anklägers, nicht bewusst ist, hat Hiob absolut recht, was seine drei Freunde angeht.
Sie sahen sich als Fürsprecher Gottes, als sie Hiob mit Verurteilung überhäuften.
Da Hiob erkannte, dass seine Rechtfertigung in keiner Weise von seinen drei Freunden kommen würde, begann er über eine andere Möglichkeit nachzudenken, die Rechtfertigung zu erlangen.
23 O dass doch meine Worte aufgeschrieben, o dass sie doch in ein Buch eingetragen würden,
24 dass sie mit eisernem Griffel und Blei für immer in den Felsen gehauen würden:
Hiob beschreibt im Grunde einen Nachruf in der Zeitung oder das Epitaph auf einem Grabstein. Die gewählten Worte sind ein starkes Bekenntnis seines Glaubens, dass er selbst seine Rechtfertigung in der Auferstehung sehen würde.
25 Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und zuletzt wird er sich über den Staub erheben.
26 Und nachdem diese meine Hülle zerbrochen ist, dann werde ich, von meinem Fleisch los, Gott schauen;
27 ja, ich selbst werde ihn schauen, und meine Augen werden ihn sehen, ohne [ihm] fremd zu sein. Danach sehnt sich mein Herz in mir!
Nach dieser schönen Schilderung seiner Hoffnung wendet er sich mit einer ernsten Warnung an seine Freunde. Wenn sie hartnäckig darauf bestanden, dass Hiobs Schwierigkeiten das Ergebnis seiner Sünde waren, sollten sie auf sich selbst aufpassen, denn sie waren nicht unschuldig und ihre Zeit würde auch bald kommen.
28 Wenn ihr sprecht: »Wie wollen wir ihn zur Strecke bringen?«, und [meint,] die Wurzel der Sache sei in mir zu finden,
29 so fürchtet euch selbst vor dem Schwert! Denn das Schwert wird die Sünden rächen, damit ihr wisst, dass es ein Gericht gibt!