Gibt es einen Tag des Gerichts?

Hiob 24

1 Warum sind vom Allmächtigen nicht Zeiten [des Gerichts] aufbewahrt, und warum sehen die, welche ihn kennen, seine Tage nicht?

Das Erste, was uns an Hiob 24 auffällt, ist die Ähnlichkeit mit dem Anfang von Psalm 73.

Ich aber — fast wäre ich gestrauchelt mit meinen Füßen, wie leicht hätte ich einen Fehltritt getan! Denn ich beneidete die Übermütigen, als ich das Wohlergehen der Gottlosen sah. Denn sie leiden keine Qual bis zu ihrem Tod, und ihr Leib ist wohlgenährt. – Psalm 73,2-4

Das Argument von Hiobs Freunden war, dass Gott immer die Schuldigen bestraft und dass Hiob daher schuldig sein muss, da er leidet, was in ihren Augen einer Bestrafung gleichkommt.

Inzwischen hat Hiob darauf hingewiesen, dass ihre Sichtweise Mängel aufweist, da die Schuldigen manchmal frei leben dürfen, als ob sie nichts falsch gemacht hätten.

Das gleiche Problem wird im Buch Prediger diskutiert.

Ich sah dann auch, wie Gottlose begraben wurden und [zur Ruhe] eingingen, während solche, die recht gehandelt hatten, den heiligen Ort verlassen mussten und vergessen wurden in der Stadt; auch das ist nichtig! Weil der Richterspruch über die böse Tat nicht rasch vollzogen wird, darum ist das Herz der Menschenkinder davon erfüllt, Böses zu tun. – Prediger 8,10-11

Um dieses Problem zu lösen, macht Hiob Gott einen Vorschlag.

Lege einen Gerichtstag fest, zum Beispiel jeden dritten Dienstag des Monats, um alle Sünder zu versammeln und ihnen die Strafe zu geben, die sie verdienen.

Jetzt beginnt Hiob, die Aktivitäten der Gottlosen zu beschreiben.

2 Man verrückt die Grenzen; sie rauben die Herde und weiden sie.
3 Den Esel der Waisen treibt man fort und pfändet die Kuh der Witwe.
4 Man jagt die Armen aus dem Weg, und die Elenden im Land müssen sich allesamt verbergen.

Was ist dann das Ergebnis dieser bösen Taten? Von Vers 5 bis Vers 12 beantwortet Hiob diese Frage.

5 Siehe, wie Wildesel in der Wüste ziehen sie zu ihrem Tagewerk aus, auf der Suche nach Nahrung; die Wildnis bietet ihnen Speise für die Kinder.
6 Sie ernten das Futter auf dem Feld und halten Nachlese im Weinberg des Gottlosen.
7 Entblößt bringen sie die Nächte zu; sie haben kein Gewand, und wenn es kalt wird, keine Decke.
8 Vom Regen der Berge werden sie durchnässt, und weil sie keine Zuflucht haben, klammern sie sich an den Felsen.
9 Man reißt das Waisenkind von der Brust, und was der Arme anhat, nimmt man als Pfand.
10 Entblößt gehen sie umher, ohne Gewand; sie müssen Garben tragen und hungern dabei.
11 Innerhalb der Mauern [der Reichen] pressen sie Öl; sie treten die Kelter und müssen doch Durst leiden.
12 Von der Stadt her ächzen Sterbende, und die Seele der Erschlagenen schreit; aber Gott achtet nicht auf das Unrecht.

Auf zwei Dinge weist Hiob als Unrecht hin: Dass die Bösen nicht bestraft werden und die Unterdrückten weiterhin unter ihren Händen leiden.

Hiob kehrt nun dazu zurück, die Bösen zu beschreiben.

13 Jene hassen das Licht, sie wollen seine Wege nicht kennen und bleiben nicht auf seinen Pfaden.
14 Bei Tagesanbruch steht der Mörder auf, um den Elenden und Armen umzubringen; in der Nacht aber ist er wie ein Dieb.
15 Das Auge des Ehebrechers wartet auf die Dämmerung; er spricht: »Kein Auge soll mich sehen!«, und verhüllt sein Angesicht.
16 In der Finsternis bricht man in die Häuser ein; bei Tag halten sie sich eingeschlossen; sie scheuen das Licht.

Dies erinnert uns an die Worte Jesu:

Darin aber besteht das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht; denn ihre Werke waren böse. – Johannes 3,19

Der Mörder, der Dieb und der Ehebrecher sind in dieser Angelegenheit alle gleich.

17 Denn für sie alle ist der Morgen gleich wie Todesschatten; denn sie sind vertraut mit dem Schrecken des Todesschattens.

Die Gottlosen haben eine seltsame Fixierung auf den Tod. Sie respektieren das Leben nicht, sei es das von jemand anderem oder von sich selbst.

18 Schnell treibt er auf der Oberfläche des Wassers dahin. Verflucht ist sein Erbteil auf Erden; sein Weg führt nicht durch Weingärten.
19 Wie Hitze und Sonnenglut die Schneewasser wegraffen, so das Totenreich die, welche gesündigt haben.

Für den Schreiber von Psalm 73 war es Trost, das Ende des Weges der Gottlosen zu sehen.

So sann ich denn nach, um dies zu verstehen; aber es war vergebliche Mühe in meinen Augen — bis ich in das Heiligtum Gottes ging und auf ihr Ende achtgab. Fürwahr, du stellst sie auf schlüpfrigen Boden; du lässt sie fallen, dass sie in Trümmer sinken. Wie sind sie so plötzlich verwüstet worden! Sie sind untergegangen und haben ein Ende mit Schrecken genommen. – Psalm 73,16-19

Für Hiob war dies jedoch nicht zufriedenstellend, da er keinen Unterschied zwischen dem Ende der Gottlosen und der Gerechten sehen konnte.

20 Der Mutterschoß wird ihn vergessen, Würmer laben sich an ihm; nie mehr wird an ihn gedacht, und wie ein Baum wird [sein] Übermut gebrochen,
21 der die Unfruchtbare beraubte, die nicht gebar, und der Witwe nichts Gutes tat.

Das fehlende Urteil vor dem Tod führte dazu, dass der Sünder schnell vergessen wurde.

Hiob beschreibt nun das Ende aller anderen, zu denen auch er selbst gehört.

Hiob beschreibt nun das Ende der besten Menschen, die er als die Mächtigen bezeichnet, einer Gruppe, die ihn selbst einschließen würde.

22 Und Mächtige rafft er dahin durch seine Kraft; steht er auf, so ist man seines Lebens nicht mehr sicher.
23 Er gibt ihm Sicherheit, und jener verlässt sich darauf; und seine Augen [wachen] über ihre Wege.
24 Sie kommen hoch; aber wenig braucht’s, so sind sie dahin; sie sinken hin und werden zusammengerafft, wie alle anderen auch, und wie die Ährenspitze werden sie abgeschnitten.
25 Oder ist’s nicht so? Wer will mich Lügen strafen und meine Rede zunichtemachen?

Gerade als es so aussah, als würde alles gut laufen, brach alles zusammen und der Gerechte starb genauso wie der Gottlose.

Es bleibt also die Frage zu beantworten, gibt es einen Tag des Gerichts? Gibt es einen Unterschied zwischen dem Ende des Göttlichen und des Gottlosen? Die Antwort ist ja, es gibt!

Wenn mir auch Leib und Seele vergehen, so bleibt doch Gott ewiglich meines Herzens Fels und mein Teil. Denn siehe, die fern von dir sind, gehen ins Verderben – Psalm 73,26-27a